Der Großhandel und seine Angst vor der eigenen Courage – der Rückblick auf 2013 zeigt die Herausforderungen für 2014+

Eine ganze Branche steht vor der Entscheidung, ob sie den Mut hat sich neu zu erfinden, oder ob sich die Bewahrer und die Zweifler durchsetzen. Auf dem mit über 180 Teilnehmern voll ausgebuchten ECC Forum zum Thema „B2B E-Commerce“ war dieses Spannungsfeld am 05.09.2013 beispielsweise so deutlich wie nie und war während der ganzen Veranstaltung elektrisierend, für alle Teilnehmer präsent.

Es ist an der Zeit, DIE FRAGE zu entscheiden
Das Handel Wandel bedeutet, das ist der Großhandel gewohnt und gehört zum täglichen Geschäft, doch jetzt geht es nicht um Wandel, sondern um eine Richtungsentscheidung, die von jedem Marktteilnehmer besonderen Mut erfordert. Dies wurde auf der Fachveranstaltung des ECC genauso deutlich, wie auf vielen weiteren Fachkonferenzen des Jahres 2013 zum Thema E-Commerce. Die Frage ist so präsent wie noch nie, jeder ahnt, dass es richtig wäre, möchte aber nicht der Erste sein.

Consumerization des B2B Handels & Vertikalisierung!
Nicht alle Konsumenten sind B2B Einkäufer, aber alle B2B Einkäufer auch Konsumenten. Diese Erkenntnis ist leicht herzuleiten, hat aber erhebliche Auswirkungen auf den Erfolg von E-Commerce Lösungen im Großhandel, denn die Anforderungen an die eingesetzten Lösungen und deren potentieller Erfolg werden dadurch direkt beeinflusst. Dass dies keine Annahme, sondern eine empirisch belegte Tatsache ist, wurde durch zwei bemerkenswerte Studien bewiesen, deren Ergebnisse auf dem 24. ECC Forum in Köln vorgestellt wurden. So beleuchteten Dr Kai Hudetz vom Institut für Handelsforschung und Dr Dieter Lindener (ieQ solutions) in einer neu vorgestellten Studie die Erfolgsfaktoren im baunahen Großhandel seitens der Großhändler und Stefan Hentschel von Google Germany stellte Ergebnisse einer neuen Studie vor, in der die Erwartungen gewerblicher Entscheider an die Informationsangebote ihrer Lieferanten analysiert wurden. Diese topaktuelle Studie aus dem Jahr 2013 wurde von Google bei Professor Klaus Backhaus, an der Uni Münster in Auftrag gegeben.

Zwei Studien – ein Ergebnis – eine Gruppe Großhändler ist erfolgreicher
Die Studie von Google Germany und Prof Backhaus fand heraus, dass gewerbliche Einkäufer Informationsangebote und eine Usability der Prozesse vom Anbieter erwarten, die weit über das hinausgehen, was ein Großteil der Branche heute schon leistet. 89% nutzen Suchmaschinen zur Recherche bei Beschaffungsentscheidungen. Mehr als 2/3 der befragten Entscheider sind sich einig, gerade für kleinere und unbekanntere Unternehmen ist ein gute Sichtbarkeit in Suchmaschinen von unbedingter Wichtigkeit, damit sie überhaupt ins „Awareness Set“ des Entscheiders aufgenommen werden und die Chance bekommen „Top of Mind“, also die Kaufentscheidung zu werden. Google spricht in diesem Zusammenhang von einem Nutzungs- und Informationserlebnis, welches weitestgehend dem entspricht, das die Entscheider als Konsumenten aus dem B2C Commerce gewohnt sind. Consumerization von B2B Prozessen nennt sich dieser anhaltende und sinnvolle Prozess. Doch die entscheidende Eintrittskarte ist die Existenz relevanter Informationen im Netz, die die weiteren Recherche- und Informationsprozesse von Einkäufern über Suchmaschinen erst ermöglichen.

Einerseits also die Erwartungshaltung der Entscheider und andererseits der bestätigende Beweis in Form der neusten Studie des Institutes für Handelsforschung. Denn im Ergebnis der Studie, die das Segment des baunahen Großhandels zum Thema hatte, konnte festgestellt werden, die im E-Commerce erfolgreicheren Unternehmen der Branche, nutzen die Potentiale, die die moderne E-Commerce IT bietet, einfach konsequenter und damit besser aus. Daraus resultiert nicht nur eine interne Verschiebung von Umsätzen zwischen Abteilungen des Unternehmens, sondern Usability, Service und allzeit verfügbare Informationen sind häufig die letztendlich entscheidenden Wechselfaktoren professioneller Einkäufer, bei ansonsten vergleichbaren Produkten und marginalen Preisunterschieden.

Bis zu 50% Umsatzanteil aus dem Online-Kanal sind realistisch
Dies zeigte sich auf dem ECC Forum anhand konkreter Fallbeispiele aus der Praxis, in der entsprechende Werte heute schon erreicht werden. Diese Einschätzung publiziert auch Andy Hoar, Senior Ebusiness Analyst bei Forrester Research und einer der weltweit anerkanntesten Experten für E-Commerce im B2B. Er sagt vielen B2B Marken einen zukünftigen Online-Anteil von 50% am Umsatz voraus, was wohl gleichzeitig als eine Empfehlung zur deutlichen Verstärkung von (eventuell) vorhandenen Vertikalisierungsplänen der Marken verstanden werden muss. Denn wie soll eine Marke, ein Hersteller oder eine Generalvertretung ein positives Image behalten, wenn Interessenten wegen eines dreistufigen Vertriebsmodells aktiv ausgesperrt werden?

Der Gordischer Knoten oder die Büchse der Pandora?
Es erscheint fast so, als würde sich der gesamte Großhandel darüber bewusst werden, dass er am Scheideweg angekommen ist. Doch das Spannungsfeld ist betriebswirtschaftlich verständlich und leicht erklärbar. Wer als Händler die Potentiale des internetbasierten E-Commerce nutzen möchte, muss das Internet konsequent nutzen. Das bedeutet jedoch auch, dass Hersteller, Importeure und der Großhandel einerseits relevante Information im Netz säen und im Gegenzug Reichweite, Traffic, neue Besucher und Conversions ernten können.
Die zentrale Frage lautet also, wie verhält sich der online recherchierende Entscheider?

Wird ein Entscheider eine Online-Präsenz ohne Preise, Verfügbarkeiten und Lieferzeiten als ausreichend relevante Informationsquelle empfinden? Die Antwort lautet: Wahrscheinlich NICHT!

Wird er sich im nächsten Schritt, an einer unter Umständen unbekannten Website, mit seinen geschäftlichen Daten registrieren oder ein Kontaktformular ausfüllen? Die Antwort lautet: Wahrscheinlich verlieren Sie ca. die Hälfte der Interessenten! Laut aktueller Ergebnisse des Institutes für Handelsforschung werden ca. 42% der Besucher die Website eines Anbieters verlassen, weil die benötigte Information online nicht verfügbar ist – der Nutzer bleibt lieber seinem Kanal treu – und geht im weiteren Entscheidungsprozess wahrscheinlich an den Wettbewerb verloren.

Hier kann in konsequenter Interpretation der Studienergebnisse natürlich nicht Schluss sein. Voraussetzung ist aber natürlich, dass die Branchen immanente Verständigung auf den Verschluss von Preis- und Kalkulationsinformationen hinter hohen Anmeldehürden und das Protektorat der Industrie und des Großhandels, dass die angemessenen Preisfindung u.U. ganz individuell bei jedem einzelnen Handwerker sieht, ohne das irgendwo auch nur eine Querrecherche möglich wäre, zukünftig ein Ende haben müsste. Ein Neuanfang mit ungewissem Ausgang steht in vielen Branchen bevor.

Die Branche erwartet einen Erdrutsch und am Beispiel der Bad- und Elektro-Branche gaben Branchenkenner hinter vorgehaltener Hand zu verstehen, viele Marktteilnehmer können die Anmeldeverfahren und Registrierungsmauern sofort deaktivieren, Hersteller des Bad- und Elektrobereichs können kurzfristig angemessene unverbindliche Preisempfehlungen in Webpräsenzen publizieren oder Multiplikatoren als weitere Vertriebswege aufschalten. Im Ergebnis wäre ein weiterer völlig intransparenter Markt zukünftig beleuchtet und alle Käufer, egal ob Konsument oder gewerblicher Auftraggeber, können endlich Preise sowie Angebote im Netz recherchieren und vergleichen. Kann der Wunsch nach Transparenz und freier Information denn falsch sein?

In diesem Entscheidungsprozess werden nun zunehmend auch die Gerichte und Kartellbehörden aktiv, denn wie z.B. die Entscheidung von Reuter Badshop ./. Dornbracht (Urteil OLG Düsseldorf VI U (Kart) 11/13) bestätigte, ist die Benachteiligung bestimmter Vertriebskanäle genauso wettbewerbswidrig, wie der Wunsch der vertraglich vereinbarten preislichen Gleichstellung eines Vertriebsweges / Anbieters, siehe Bundes Kartellamt ./. Amazon in Sachen Preisparität.

Wir sind uns sicher, das Jahr 2014 wird überraschende Richtungswechsel im Großhandel hervorbringen und wir werden mit unseren Marktplätzen natürlich aktiv an der Professionalisierung des B2B E-Commerce mitarbeiten.

Frohes neues 2014 wünscht Stefan Grimm
GKS Handelssysteme GmbH

Stefan Grimm_Geschäftsführer GKS

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